Fast Fashion.

Die Schattenseiten der Mode

12. Oktober 2018 bis 24. Februar 2019
Rautenstrauch-Joest-Museum – Kulturen der Welt

Wie kann es sein, dass ein T-Shirt heute weniger kostet als ein großer Kaffee, ein Kleid so viel wie ein Eisbecher, eine Hose so viel wie ein Kinoticket? Und was erzählt der Preis über das Leben der Menschen, die diese Kleidung herstellen? Fast Fashion. Die Schattenseiten der Mode wirft einen kritischen Blick hinter die Kulissen der globalen Textilindustrie und will dazu anregen, sich engagiert mit dem Thema Mode-Konsum und seinen sozialen und ökologischen Folgen zu beschäftigen. Konzipiert wurde die Ausstellung im Jahre 2015 vom Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg vor dem Hintergrund der Großbrände in Textilfabriken in Pakistan und Bangladesch. Erst der Tod Hunderter Menschen lenkte die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit auf die problematischen Arbeitsbedingungen, unter denen ein großer Teil unserer Mode in Billiglohnländern entsteht.

Wie der Name sagt, ist Fast Fashion eine geradezu rasend schnelle Mode: Vom Entwurf bis zur Auslieferung des Produkts müssen heute nicht einmal mehr zwei Wochen vergehen. Und so schnell Entwurf, Produktion und Handel, so rasch Gebrauch und Verschleiß – Billigmode heizt den Textilkonsum an und hat einen neuen Typus des schnellen Modekonsumenten hervorgebracht.

Ökonomisch betrachtet, ist Fast Fashion ein Erfolgsmodell global agierender Konzerne und ermöglicht enorme Profite. Doch die sind oft nur möglich, weil sie zu Lasten der Menschen in den Produktionsländern gehen – hergestellt unter teilweise unwürdigen Arbeitsbedingungen, mit Löhnen unterhalb des Existenzminimums und einer denkbar schlechten Umweltbilanz. Auf der anderen Seite leistet die Textilindustrie in vielen Ländern „Pionierarbeit“: Sie gibt vielen Menschen ohne Ausbildung Arbeit und Einkommen und zieht weitere Branchen nach.

Als Gegenmodell zur Fast Fashion gewinnt die Slow Fashion-Bewegung zunehmend an Bedeutung. Produzenten und Konsumenten bemühen sich hier um mehr Verantwortung und Respekt gegenüber Menschen, Rohstoffen und Umwelt. Doch es geht nicht allein um die schonende Herstellung und Auswahl von teilweise äußerst seltenen und kostbaren Rohstoffen, um ihre kunstfertige Verarbeitung, um faire Entlohnung und fairen Handel. Es geht auch um kulturelle Identitäten und indigene Traditionen, um selten gewordene Handwerkskunst und um alternative Ansätze für ein sozial nachhaltiges Wirtschaften.

Die Ausstellung bringt Fast und Slow Fashion zusammen. Der vom Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg zusammengestellte erste Teil des Ausstellungsparcours gliedert den Themenkomplex Fast Fashion in mehrere Stationen. Fashion & Victims stellt die Welten der Textilarbeiter in den Billiglohnländer und die Welt der Schnäppchenjäger unserer Überflussgesellschaft vor. Global & Lokal zeigt die Herstellungsschritte für ein Produkt und die Kette der Länder, die daran beteiligt sind. Mangel & Überfluss folgt der Spur unserer abgelegten Mode auf die Altkleidermärkte Haitis und Afrikas. Lohn & Gewinn beleuchtet die Diskrepanz von Mindestlohn und Existenzlohn und die prekäre Situation der Textilarbeiter beispielsweise in der Türkei, in Bulgarien und Marokko. Chemikalien & ökologischer Fußabdruck informiert darüber, was wir auf der Haut tragen: Kleidung, die unter Einsatz von bis zu 7000 Chemikalien und lebensgefährlichen Pestiziden hergestellt wird.

Fast Fashion. Die Schattenseiten der Mode stellt neben Beispielen aus unterschiedlichen Modesegmenten neun zeitgenössische künstlerische Positionen unterschiedlicher Genres vor, die sich kritisch mit Fast Fashion und ihren Folgen auseinander setzen. Auf diese Weise ergänzen sich wissenschaftliche Recherchen, dokumentarisches Material und künstlerische Reflexion. Es werden Arbeiten aus den Bereichen Fotografie, Film- und Videokunst gezeigt.

Der zweite Teil der Ausstellung zum Themenkomplex Slow Fashion ist aus den Sammlungsobjekten des Kölner Rautenstrauch-Joest-Museums – Kulturen der Welt zusammengestellt: Es geht um Mode, die Tradition und Gegenwart textilen Gestaltens ausgewählter Herkunftsregionen repräsentiert, zugleich um alternative Materialien und umweltschonende Herstellungsprozesse. Diese Mode erfreut sich einer wachsenden kulturellen, sozialen und wirtschaftlichen Beachtung: Kantha-Stickereien aus Nordindien und Bangladesch; Alpaka-Designs aus Chile; der „langsamste Stoff der Welt“ – Ikat aus Ost-Indonesien; Bilum-Kleidung aus Papua Neuguinea; Lotos-Seide aus Myanmar; Brokat-Webereien aus Thailand; Batik-Arbeiten aus Indonesien; Rindenbast-Textilien aus Uganda, Faso Dan Fani aus Burkina Faso.

Der Parcours führt die Besucher durch den gesamten Konsumprozess vom Laufsteg über Fotostudio, vom Schaufenster bis zur Umkleidekabine. Videoinstallationen und Fotowände von diversen Künstlern, Infografiken und Schautafeln zusammengestellt von Wissenschaftlern, Umweltschützern, Designern und Medienexperten – und natürlich Mode-Artikel geben einen ebenso aufklärenden wie anschaulichen Einblick in die Schnelllebigkeit des Geschäfts, in die globale Vernetzung der Branche, in die Lebensverhältnisse der Textilarbeiter einerseits und in die Kaufhaltung der Textilkonsumenten andererseits. Ein Katalog bündelt 30 Fachessays über ökologische, ökonomische, ethische, soziale und gestalterische Zusammenhänge.

Begleitprogramm

Begleitet wird Fast Fashion von einem Veranstaltungsprogramm, das die „Fair Trade City“ Köln in besonderer Weise einbezieht, das sind Modeschaffende und Händler, Produzenten und Konsumenten, Künstler, Schulen und Hochschulen, die sich für einen fairen Modekonsum engagieren. So befassen sich die Studenten der ecosign / Akademie für Gestaltung mit den Auswirkungen von Fast-Fashion-Unternehmensstrategien. In Kooperation mit dem Museum, sollen aus vorgegebenen Materialien – im Fokus stehen dabei indigenes Handwerk und traditionelle Stoffe – freie Arbeiten entstehen. Ziel ist eine Transferleistung zwischen Material und technischen Fähigkeiten auf der einen und nachhaltiges gestalterisches Know-how auf der anderen Seite. Die Ergebnisse werden im Slow Fashion-Bereich der Ausstellung zu sehen sein.

Modeschauen geben den Besuchern Einblick über Kölner Fair-Trade-Labels und Designer. Monatliche Thementage widmen sich insbesondere der Slow Fashion aus ausgewählten Regionen. Auf Tauschbörsen können sich die Besucher mit Weihnachtsgeschenken oder Karnevalskostümen versehen; Vorträge, Filme und Podiumsdiskussionen lassen Designer und Hersteller, Händler und Non-Governmental-Organisationen zu aktuellen sozialen und politischen Entwicklungen zu Wort kommen.

Henriette Reker, Oberbürgermeisterin der Stadt Köln

„Fast Fashion. Die Schattenseite der Mode“ ist eine sehr willkommene Ausstellung in der „Fair Trade Stadt“ Köln. Seit vielen Jahren setzt sich hier eine wachsende Zahl von Menschen in Vereinen, Unternehmen und Verwaltung für den Fairen Handel und damit für menschenwürdige Arbeitsverhältnisse und Bezahlung in der globalen Textilindustrie ein. Hier engagieren sich Hochschulen, die Universität zu Köln, aber auch Kölner Schulen wie die Grundschule Irisweg in Porz oder die Internationale Friedensschule in Widdersdorf. Ich wünsche dem „Rautenstrauch-Joest-Museum – Kulturen der Welt“ viele Besucher für diese wichtige Ausstellung, damit noch mehr Menschen verstehen, welch enormen Einfluss sie allein durch den Kauf ihrer Kleidung auf das Leben anderer Menschen nehmen. Ich hoffe, dass die Ausstellung in der „Einkaufsstadt Köln“ viele Menschen bewegt.

Susanne Laugwitz-Aulbach, Kölner Kulturdezernentin

Das Kölner „Rautenstrauch-Joest-Museum – Kulturen der Welt“ verfügt über eine einzigartige Sammlung kostbarer Textilien aus aller Welt und über eine ausgewiesene Expertise. Ob Boro, Kanta, Ikat oder Batik, die hier ausgestellten Objekte und ihre Geschichte lassen Staunen und wecken Neugier auf die fantastische Vielfalt an Farben, Formen und Kreationen des Kunsthandwerks weltweit. Die Ausstellung zeigt damit nicht nur Alternativen zur Prêt-à-porter-Produktion, sie zeigt auch, welch unerschöpflicher Pool an Ideen und Anregungen traditionelle Stoffe und Kleidung für die heutige schnelllebige Modebranche darstellen.

Prof. Klaus Schneider, Direktor des Rautenstrauch-Joest-Museum – Kulturen der Welt

Die Ausstellung „Fast Fashion. Die Schattenseite der Mode“ bietet alles andere als eine simplifizierende Schwarz-weiß-Betrachtung: Hier die verwerfliche „Fast Fashion“, da die politisch-korrekte „Slow Fashion“. Es geht nicht um Konsum-Bashing, es geht um die Erhellung eines komplexen politischen Spannungsfelds: Die Industrie, die bei uns in Verruf geraten ist, ist vor Ort ja auch der Motor der Entwicklung, sie verursacht Probleme, birgt aber auch Chancen. Kleidung ist von je her der Ausdruck kultureller Eigenart in all ihrer vielfältigen lokalen Ausprägung. In einer globalisierten Werbe- und Warenwelt kann das auch Chance sein: Vergessene Formen, Farben, Muster und Schnitte können jetzt auch global bekannt und verfügbar gemacht werden. Die Ausstellung will deshalb auch dazu beitragen, dieser Mode neue Horizonte zu öffnen und so ihre Wirkung zu entfalten. In der „Fair-Trade-Stadt“ Köln fällt das auf besonders fruchtbaren Boden. Hier ist Slow Fashion längst ein Thema. Und weil sich in Köln so viele engagierte Designer und Händler, Produzenten und Konsumenten finden, können wir heute eine Ausstellung und ein Begleitprogramm präsentieren, die das ursprüngliche Hamburger Konzept um ganz eigene Facetten bereichern. Dafür möchte ich mich bei allen Akteuren bedanken.

Kooperationen

Der gemeinnützige Bonner Frauenverein Femnet e.V. setzt sich seit über zehn Jahren politisch und finanziell für die Rechte von Frauen in der globalen Bekleidungsindustrie ein. Femnet porträtiert neun Näherinnen aus Bangladesch und Kambodscha, die von ihrem Alltag und von ihrem Engagement als Gewerkschafterinnen für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Textilbranche erzählen.

Im Rahmen einer Kooperation mit dem Rautenstrauch-Joest-Museum und dem Museumsdienst der Stadt Köln befassen sich die Schüler der Internationalen Friedensschule Köln gGmbH mit den Problemfeldern in der Produktionskette von Textilien. Eine fächerübergreifende Zusammenarbeit verschiedener Klassen ermöglicht die Präsentation der Wertschöpfungskette aus der Perspektive der Schüler mit dem Ziel, Alternativen aufzuzeigen und insbesondere andere junge Menschen für einen nachhaltigeren Umgang mit natürlichen Ressourcen zu sensibilisieren.

Auch das gemeinnützige Kölner KUNSTHAUS KAT18 konnte für die Mitwirkung an der Gestaltung der Ausstellung gewonnen werden. In der Ateliergemeinschaft arbeiten derzeit 24 Künstler mit Behinderung.

Kuratoren

Dr. Claudia Banz, Sabine Franke, Miriam Wolf (Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg)

Projektleitung

Dr. Annabelle Springer, Dr. Oliver Lueb (Rautenstrauch-Joest-Museum – Kulturen der Welt, Köln)

Kuratoren Slow Fashion im RJM

Dr. Clara Himmelheber, Dr. Oliver Lueb, Sonja Mohr, Dr. Anne Slenczka, Dr. Annabelle Springer

Beteiligte Künstler

Taslima Akhter, Susanne A. Friedel, Christin Losta, Tim Mitchell, Elisa van Joolen, Andrea Vogel, Helena Waldmann, Manu Washaus, Paolo Woods

Förderer

Die Ausstellung Fast Fashion. Die Schattenseiten der Mode wird gefördert von der Karin Stilke Stiftung und der Deutschen Bundesstiftung Umwelt.
Im Rautenstrauch-Joest-Museum – Kulturen der Welt wird die Ausstellung unterstützt durch die Kölner Kulturstiftung der Kreissparkasse Köln, die Orientstiftung zur Förderung der Ostasiatischen Kunst, General Reinsurance AG, Köln, und die Museumsgesellschaft RJM. Kulturpartner ist WDR3.

Beratung

Bei den grundsätzlichen Fragen zur Umweltrelevanz von Produktion und Konsum von Bekleidung stand das Umweltbundesamt (UBA) dem Projekt Fast Fashion beratend zur Seite. Das UBA stellte außerdem Informationen zur Verfügung über Chemikalien, die bei der Produktion von Bekleidung eingesetzt werden, über deren Potential der Umwelt- und Gesundheitsgefährdung und über gesetzliche Regelungen zur Kontrolle dieser Chemikalien.








Fast Fashion.
Die Schattenseiten der Mode
12. Oktober 2018 bis 24. Februar 2019

Rautenstrauch-Joest-Museum – Kulturen der Welt
Cäcilienstraße 29-33
50667 Köln
0221/221-31356
rjm@stadt-koeln.de
www.museenkoeln.de/rjm
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